Von Ruhe und Frieden in Zinnlos
Jin, einer unserer Studenten, hatten uns angeboten ihn mal ,wenn es wärmer ist, in seiner Heimatstadt Wu Xi zu besuchen. Dieses Angebot wollten wir nun wahrnehmen. Die Geschichte beginnt Freitag. Wir sind mit Jin am Bahnhof und wollen unsere Zugtickets für Sonntag kaufen, als plötzlich uns ein leider viel zu bekanntes Geräusch ertönt, ein klappernder Becher. Dazu ein kleiner Exkurs. In China haben wir bis jetzt 2 Arten von Bettler kennengelernt, die die irgendwo sitzen oder sich verbeugen und die die einer ihren Sammelbecher in die Rippen rammen und einen eine gefühlte Stunde Geld abschwatzen wollen. Nachdem wir mithilfe von Jin die Frau davon Abstand genommen hatte uns auf die Nerven zu gehen, schweifte mein Blick zum Schalter und da war schon der nächste Bettler Marke extradreist. Er hatte sich zwischen die zwei Schalterschlangen gestellt und hielt je nach dem an welcher Schlange gerade bezahlt wurde seinen Becher genau unter die Öffnung, wo Rückgeld und Fahrschein ausgehändigt werden. Naja bei uns war er dann noch hartnäckiger, unser Ausländerbonus sozusagen. Der Kerl hat mich ein wenig aufgeregt, wie ihr vielleicht mitkriegt. Aber naja Jin fuhr dann schon mal nach Wu Xi. Dietmar und ich fuhren dann zurück zur Uni. Martin hat in der Zwischenzeit seine Vorlesung für die BWL-Studenten gegeben. Er hatte den Luxus am Samstag arbeiten zu dürfen und wollte Sonntag zum Auspannen nutzen und nicht nach Wu Xi fahren. Am Freitagabend besuchten wir dann zum zweiten Mal das Candles, ein Restaurant bzw, eine Bar, in der es hauptsächlich westliche Gerichte gibt und ließen dort den Abend bei ein paar Bier ausklingen.

Am nächsten Tag wollten Dietmar und ich die Kammwerkstätten besuchen gehen. Beim trüben und regnerischen Wetter und mit ungenauer Karte fanden wir diese nicht ,so dass wir wieder einmal beschlossen, wie steigen in einen Bus und fahren irgendwohin und steigen dort aus. Diesmal befand sich unser Ausstieg direkt bei einem überdachten Markt. Dort wird alles gehandelt von Kleidung über Fisch, Fleisch und Gemüse. Das einzige Problem war , dass man je nach Bereich mit zunehmenden Gestank nur ein kürzere Verweilzeit hatte, bevor der Magen sagte jetzt is aber genug. Auf unserem Weg lag auch der Jingchuan Park. Dank des Wetters war dieser beinahe menschenleer. Einfach schön und vor allem ruhig. Hier sammelten wir ein paar chinesische Weißheiten, warum man den Rasen nicht betreten sollte.


Love is everywhere

Als wir den Park wieder verließen, bemerkten wir das wir auf einem Abschnitt der Busroute 23 entlang gingen und gar nicht mehr soweit weg von unsere Uni waren. Deshalb beschlossen wir den restlichen Weg auch noch zu laufen und auf dem Unigelände Mittag zu essen. Dort angekommen entschlossen wir uns in einem Restaurant in der Nordstraße einzukehren. Wir bestellten Glasnudeln Gemüse, Schweinefleisch, Cola und Shrimps nach unserer üblichen Methode: Auf das was lecker aussieht mit dem Finger deuten. Anstatt von Cola kam allerdings Bier und obwohl wir keinen Reis bestellt hatten, kam zu unsere massiven Bestellung auch noch eine klitzekleines Schälchen Reis, welches locker für drei weitere Personen gereicht hätte. Dietmar hat das sehr an eine Szene aus Simpsons erinnert. Einen Kaffee bitte. Bier? Kaf-fee! Bi-er! Usw. Der Wirt hatte anscheinend angenommen wir wollen, das was wir immer wollen, Bier und Reis und hatte uns gar nicht richtig zugehört.

Am nächsten Morgen gings für Dietmar und mich dann früh raus, wir hatten uns um 7 mit Ludwig und Kai (beides chinesische Studenten) verabredet.Gegen um 8 Uhr trafen wir dann in Wu Xi ein und wurden schon von Jin erwartet. Am Bahnhof trafen wir dann noch Hao, der uns prompt Geschenke,die wir dann den ganzen Tag durch die Gegend schleppten, in die Hand drückte. Was es war, wird noch nicht verraten. Mit dem Bus gings dann einmal quer durch die Stadt bis zum Tai Hu See, dem drittgrößten See Chinas. Während der Busfahrt erfuhren wir, dass in Wu Xi früher Zinn abgebaut wurde und es deshalb viele Kriege gab, als dann die Zinnvorkommen erschöpft waren, wurde die Stadt Wu Xi, Stadt ohne Zinn, genannt. Diese Bezeichnung gilt als Symbol für Frieden, da ohne Zinn( als Grundbestandteil von Bronze) keine Krieg mehr geführt werden musste bzw. konnte. Als wir am See ankamen ahnten Dietmar und ich bereits Schlimmes, den wir sahen ein Meer aus Menschen auf den See zuströmen. Die Frage unsererseits, ob den jeder See in China ein touristisches Ziel ist,wurde leider mit Ja beantwortet.


Wir hatten Glück, nachdem wir endlich Einlass zum See bekommen hatten, d.h. unsere 50 Yuen Tickets erhalten und uns durch die Massen duchgequetscht hatten, fuhr gleich eine Fähre zur Turtlehead Isle. Ach hatte ich schon erwähnt, das dort viele Menschen waren. Auf der Insel fühlte man sich wie in einem reißenden Fluss, man wurde einfach vom Strom mitgerissen. Natürlich stand die Natur im Mittelpunkt wie uns zahlreiche Abfälle und eine total zertrampelte Wiese mitteilten. Wir waren auf jedenfall froh wieder runter von der Insel zu sein, denn dort hatte sich Gott sei Dank alles ein wenig verlaufen, so dass man auch mal wieder Luft hatte zum Atmen.
Wir beobachteten Chinesen bei seltsamen Wettkämpfen.


Nachdem Dietmar unfreiwilliger Weise wieder als Photoobjekt genutzt wurde und wir uns noch ein wenig umgesehen hatten, hieß es wieder busfahren, unsere Lieblingsbeschäftigung in China. Unser nächster Stop war der Xihui Park direkt am ehemaligen Zinnberg. Dort trafen wir uns dann mit Jins Vater , einem der Führer in den vielen Privatgärten rund um den Park. Dank Vitamin B bekamen wir den Eintritt zum Hauptpark und den Privatgärten geschenkt.


Shao Long Bautze
Bevor wir in den Park gingen gabs erstmal Mittag bestehend aus den Shao Long Bautze und Dumplings. Diese Bautze sind eine Spezialität von Wu Xi Jins erklärte ihre Besonderheit so. Die Bautze „sind bekannt für Schweinefleisch, süß und dünn“. Da in unsere Region vor allem sehr süß gegessen wird, befürchteten wir einen Zuckerschock zu erleiden, konnten uns dann aber von guten Geschmack überzeugen lassen noch einmal 12 Bautze zu bestellen.


Die Gärten sind sehr bekannt dementsprechend viele Menschen waren auch dort unterwegs zumindest vor dem Park ,in den gärten war es relativ ruhig, außer man wollte eine der Frauen in traditioneller Kleidung fotographieren, die dort für ein Fotoshooting zu gegen waren. Die Garten waren schön und trotz allem sehr ruhig. Jin erzählte uns immer mal ein paar Fakten, die er auch auf Deutsch ausdrücken konnte und so erreichten wir dann in einem weiteren Privatgarten auch einen buddhistischen Tempel ,in den sich ein 1500 Jahre alter Baum befindet.


Im Anschluss an den Spaziergang durch die Gärten und in Anbetracht zunehmender Ermüdung beschlossen wir dann uns bei einem Tee zu erholen. Auch das hatte Jin wieder organisiert und so konnten wir dann Tee nach fast traditionell kulturchinesischer Art trinken. Jin war der Zeremonienmeister. Die Zeremonie ist das Wichtigste. Der Geschmack ändert sich dadurch nicht. Auf jeden Fall hat er das Teewasser in bestimmt 5 verschiedene Gefäße gekippt, bevor er den Tee aufgegossen hat, getrunken wurden dann aus winzigen Schälchen, die das Füllvolumen eines Fingerhuts hatten. Achtung!! Erst den tee betrachten, dann riechen und dann langsam schlürfend trinken. Nach einer Stunde setzen wir unserer Reise fort . Kaum hatten wir den Park verlassen, wurden wir abrupt durch ein langgezogenes Hupen daran erinnert, dass in China eigentlich gar nichts ruhig ist. Kai und Ludwig verabschiedeten sich dann vorzeitig und machten sich auf dem Heimweg nach Changzhou. Jin holte noch seine Sachen, die er für sein Studium benötigte,in der Zeit wurde wir bei einem KFC abgeladen. Naja eine schlechte Wahl für unser Körpergewicht. Jin kam nach 40 min mit zwei großen Beuteln mit Tee wieder, den wir bzw. Dietmar dann noch durch Wu Xi schleppten. Wir hatten Jin nach Postkarten gefragt und so gings zunächst zum einem Kartenladen. Es gibt genau einen. Dort gibt es alle möglichen Karten von der Glückwunschkarte, über Liebesbriefe aber auch Postkarten. Nur keine von Wu Xi. Dafür haben wir aber immerhin welche von Changzhou gefunden. Der Laden liegt in einer ziemlich langen Fußgängerzone, wo sich Geschäfte, Bars und Restaurants die Klinke in die Hand geben. Nachdem wir uns noch ein wenig umgeschaut hatten, beschlossen wir auch nach Changzhou zu fahren. Wir nahmen einen Zug früher als geplant und erreichten gegen halb 9 Changzhou. Bevor ichs vergesse Dietmar machte am Bahnhof von Wu Xi mal wieder männliche Bekanntschaft …

In Changzhou hatten wir dann noch einen kleinen Aufreger. Man muss in China bevor und nachdem man den Zug betritt bzw.verlässt sein Zugticket noch mal durch einen Scanner schicken, hat mans nicht mehr, muss man sich ein neues kaufen. Dietmar hatte seins nicht gleich gefunden und wir hatten schon Befürchtungen naja Ente gute alles gut. Mit einem Taxi gings wieder heim ,wo sich dann Jin und unser Taxifahrer lautstark stritten. Der Taxifahrer hatte Jin vorgeworfen, dass er mit Fremden in einem Taxi fährt und nicht mal allein sein Taxi bezahlen kann ( ich hatte ihm etwas Geld geliehen). Jin war jedenfalls sehr stinkig und so hatte unser schöner Tag einen unwürdigen Abschluss gefunden.

Fasst man den Tag zusammen ,so finden wir Wu Xi wesentlich schöner als Changzhou.


Grüße

euer M.P.