Der Praktikant im Geschäftsleitungs-Waren-Geschäft
Während ich wochenlang Martin und Dietmar mein Bedauern aussprechen durfte, dass sie noch keinen Arbeitsplatz gefunden hatten, war der einzige Arbeitsplatz, der für mich gefunden wurde, tatsächlich kein Griff ins Klo.
Der Tag der Praktikabesichtigung began für mich etwas später als für die anderen beiden, was mir bei meinem üblichen Schlafkonsum nur recht sein konnte und mir die Zeit gab mich ordentlich schick zu machen.
Da ich nicht wusste in welche Art Firma ich gebracht werden würde und ich auch keinen Namen hatte, warf ich mich in den guten Anzug mit Krawatte und allem.
Sogar der Bart wurde vor der Abfahrt nochmal gestutzt.
Ich wurde zum Fremdspracheninstitut beordert und es ging zu 4rt zum Unternehmen, von welchem ich den Namen noch immer nicht wusste.
Mit mir im Auto saßen eine Dolmetscherin (die nicht nötig war aber „nur für den Fall“), jemand, der sich mit dem Unternehmen auskannte und unser Betreuer Herr Chen.
Wir fuhren eine ganze Weile und ich begann mir Sorgen zu machen, wie ich jeden Tag dorthin kommen sollte.
Vor Ort war der erste Eindruck der Anlage ganz in Ordnung.
Alles schien sauber, nicht zu protzig, die Gebäude des Mehr-Unternehmen-Bereichs waren alle gleich und der Sicherheitsdienst offenbar nicht zu penibel.
Außerdem fallen sofort grüne Flächen, sowie ein Baskettball- und ein Tennisplatz ins Auge.
Von Außen sah die Firma nicht nach viel mehr aus als alle anderen Gebäude.
Der erste Pluspunkt jedoch: „Fingerabdruckscanner….cool“.
Wir wurden in den 3.Stock geführt (Vorsicht in Dt. wäre es der 2te) und ich erkannte bereits an den Mitarbeitern, dass ich maßlos overdressed war.
Der Chef Maic Kostka nahm uns in Empfang und es wurden Höflichkeiten ausgetauscht und das Unternehmen vorgestellt.
Ich erfuhr, dass ich in einem deutschen Unternehmen gelandet war mit Außenstellen in Amerika und China und der Betrieb in China erst seit Kurzem aufgenommen wurde, jedoch mit einem richtig ordentlichen Großauftrag.
Es ging um die Maschinen, die für den Bau des Mittelteils (der mit den Flügeln dran) des ersten chinesischen Flugzeuges notwendig sind.
Irgendwann schien Maic genug von meinen Universitätsbegleitern zu haben und so nutzte er die Gelegenheit des angekündigten Abschieds, um im übertragenen Sinne zu sagen: „Ja fahren sie mal los, ich behalte mir den Praktikanten hier und wir reden mal drüber was wirklich abgeht“
Im persönlichen Gespräch wurde ich positiv überrascht.
Punkt 1 war, dass mir erklärt wurde, dass ich jeden Morgen von einem Fahrer abgeholt und nach der Arbeit wieder zur Universität gebracht würde.
Außerdem wurde mir offenbart, dass es nicht die Absicht des Chefs war mir einen der üblichen Kopier-Praktikums-Jobs anzudrehen.
In Ermangelung eines Projektmanagers vor Ort, meinen theoretischen Grundlagen und dem ohnehin enormen Zeitdruck wurde mir diese Aufgabe zuteil mit sämtlichen einhergehenden Verantwortlichkeiten.
Ich musste also so schnell wie möglich die Stationen, Arbeitsbereiche, relevanten Mitarbeiter kennenlernen und die bevorstehende Zusammenarbeit mit Partnerfirmen vorbereiten und zukünftig beaufsichtigen.
Mit so einer Arbeit hatte ich nicht gerechnet, habe allerdings schon in den Tagen gemerkt, dass ich auf den von mir geleisteten Anteil stolz sein durfte.
Der angenehme Kontakt zu den Mitarbeitern auch außerhalb der Arbeitszeiten, die Vielseitigkeit und auch der Druck und auch der transparente, menschliche und auf Augenhöhe stattfindende Dialog mit Maic (ich habe auch seiner Tochter mit ein paar Kinderfilmen auf Deutsch und Englisch eine Freude machen können) halfen mir ungemein bei der schnellen Integration in die Firma.
Die Ankunft eines weiteren Projektmanagers des Mutterkonzerns kam mir zusätzlich sehr gelegen, da ich über äußerst freundlichen Kontakt aus erster Hand im praktischen Betrieb lernen konnte und tatsächlich Anwendung für von mir als sinnlos empfundenes Wissen aus dem Studium fand.
Alles in allem hatte ich großes Glück, große Chancen und große Verantwortung.
Und mit großer Verantwortung….ach Moment das war andersrum.
Wie auch immer. Bis bald